Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anwaltsvergütung in einem abgeschlossenen sozialgerichtlichen Verfahren, das die Bewilligung von Kinderzuschlag (§ 6a BKGG) zum Gegenstand hatte und für das die Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers erhalten hat. Mit Schriftsatz vom 17.07.2018 hatte die beklagte Fami-lienkasse angeboten, das Verfahren durch Zahlung iHv 2.425 EUR und Erstattung der Hälf-te der außergerichtlichen Kosten zu erledigen. Daraufhin hatte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.09.2018 erklärt: "Mit diesem Vorschlag sind wir grundsätz-lich einverstanden und bitten das Gericht, entsprechend den Vergleich zu protokollie-ren". Daraufhin war das Verfahren durch das Sozialgericht als erledigt betrachtet und ausgetragen worden, die Beteiligten hatten eine entsprechende Mitteilung erhalten.
Mit Einverständnis der Klägerin hatte der Bevollmächtigte seinen Vergütungsanspruch an die PVS ra GmbH M./R. abgetreten. Diese hat mit Rechnung vom 02.04.2019 eine Vergütung iHv 593,81 EUR geltend gemacht, die sich wie folgt zusammensetzt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) 300 EUR Abzüglich Anrechnung (Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG) – 75 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 270 EUR Einigungs-/Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG) 300 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20 EUR Dokumentenpauschale (Nr. 7000 VV RVG) 4 EUR 19% Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 155,61 EUR Abzug Vorschuss \226 380,80 EUR Gesamtbetrag 593,81 EUR.
Mit Beschlüssen vom 18.04.2019 und 04.02.2022 (beim Beschwerdeführer eingegangen am 15.02.2022) hat das Sozialgericht die Vergütung auf 272,51 EUR festgesetzt. Es hat alle geltend gemachten Positionen mit Ausnahme der Terminsgebühr nebst anteiliger Um-satzsteuer anerkannt. Diese macht der Bevollmächtigte mit der am 01.03.2022 erhobenen Beschwerde weiter geltend. II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Berufsrichtern gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR und die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist gewahrt.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte seine Vergütungsforderung an die PVS ra GmbH abgetreten hat. Zwar fehlt grundsätzlich die Beschwerdebefugnis, wenn ein beigeordneter Rechtsanwalt seine Vergütungsforderung gegenüber der Landeskasse an eine private Abrechnungsgesellschaft abgetreten hat (hM, vgl. nur Beschluss des Senats vom 03.03.2016 - L 9 SO 462/14.B). Im vorliegenden Verfahren ist jedoch aus den Umständen des Festsetzungsverfahrens der Schluss gerechtfertigt, dass der Bevollmächtigte befugt ist, das fremde Recht der PVS ra GmbH im eigenen Namen geltend zu machen. Die Ermächtigung des Klägers zur Prozessführung im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft kann auch konkludent erteilt werden (BGH Urteil vom 03.07.2002 - XII ZR 234/99). So liegt der Fall hier, denn das Verfahren auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen erfolgt offensichtlich mit dem Einverständnis der PVS ra GmbH. Schutzwürdige Interes-sen der Staatskasse stehen dem nicht entgegen.
Die Beschwerde ist begründet. Mit Ausnahme der im Beschwerdeverfahren allein umstrittenen Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG hat das Sozialgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung die vom Bevollmächtigten der Klägerin geltend gemachte Vergütung unter Abzug des dem Bevollmächtigten bereits ausgezahlten Vorschusses (380,80 EUR) festgesetzt. Der Bevollmächtigte kann darüber hinaus die Terminsgebühr iHv 270 EUR zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) beanspruchen.
Nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG in der bis zum 31.12.2020 gF, die für den vorliegenden Fall noch Anwendung findet (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG), entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Nach der überwiegenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Fassung der Vorschrift liege ein schriftlicher Vergleich in diesem Sinne nur vor, wenn entweder die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vergleichsvorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen (§ 101 Abs. 1 Satz 2 SGG) oder die Beteiligten dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten und das Gericht das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss feststellt (§ 202 SGG iVm § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 iVm Satz 2 ZPO). Ein zwischen den Beteiligten geschlossener außergerichtlicher Vergleich, als dessen Folge die Beteiligten das Verfahren überein-stimmend für erledigt erklären, genüge diesen Anforderungen nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 20.03.2020 - L 11 SF 118/18 E mwN auch auf die Gegenauf-fassung). Auch der Senat hat mit Beschluss vom 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 entschieden, mit einem "schriftlichen Vergleich" im Sinne von Nr. 3106 VV RVG sei nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG und § 202 SGG iVm § 278 Abs. 6 ZPO gemeint.
Indes ist diese Rechtsprechung nicht mit der in der weiteren Gesetzesentwicklung dokumentierten Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu vereinbaren. Gem. Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG in der ab dem 01.01.2021 gF des Gesetzes zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 - KostRÄG 2021) vom 21.12.2020 (BGBl I 3229) entsteht die Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, mit oder ohne Mit-wirkung des Gerichts ein Vertrag im Sinne der Nummer 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist. Der Gesetzgeber begründete die Änderung (Art. 7 Nr. 21a KostRÄG) wie folgt (BT-Drs. 19/23484 S. 84 f):
"In einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, erhalten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Terminsgebühr auch ohne Terminswahrnehmung unter anderem dann, wenn in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. In der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist anerkannt, dass insoweit ein privatschriftlicher Vergleich genügt und eine gerichtliche Pro-tokollierung oder eine Feststellung nach § 278 Absatz 6 ZPO nicht erforderlich ist (siehe etwa BGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - V ZB 110/19; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - III ZB 42/05; OLG Köln, Beschluss vom 6. April 2016 - I 17 W 67/16). Insbesondere in der Sozialgerichtsbarkeit, aber zum Teil auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird indes die Auffassung vertreten, dass eine Terminsgebühr im besagten Fall nur dann entstehen kann, wenn der Vergleich (etwa nach § 101 Absatz 1 Satz 2 SGG oder § 106 Satz 2 VwGO) unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossen wird (siehe etwa LSG NRW, Beschluss vom 11. März 2015 - L 9 AL 277/14 B; Sächs. LSG, Beschluss vom 19. Mai 2017 - L 8 R 682/15 B KO; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2017 – OVG 6 K 72.17). Durch die vorgeschlagene Formulierung soll klar-gestellt werden, dass in allen Fällen, in denen der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr zusteht, also auch bei einem privatschriftlichen Vergleich, die fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn diese Einigung oder Erledigung in einem Verfahren erfolgt, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. In diesem Zusammenhang soll der im RVG nicht mehr verwendete Begriff "Vergleich" gestrichen und durch die Bezugnahme auf einen Vertrag nach Nummer 1000 VV RVG ersetzt werden, wie dies bereits an anderen Stellen im RVG geschehen ist - Nummer 1003 VV RVG). Durch diese Regelung ist gewährleistet, dass nur eine solche Einigung eine fiktive Terminsgebühr auslöst, die auch den Gebührentatbestand der Nummer 1000 VV RVG erfüllt. Das nunmehr vorgeschlagene Ergebnis entspricht auch einem dem anwalt-lichen Vergütungsrecht zugrundeliegenden Grundgedanken, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gebührenrechtliche Anreize dafür zu gewähren, dass sie zur Vermeidung oder Erledigung von Rechtsstreiten beitragen und damit dem Gericht Aufwand ersparen. Eine Beschränkung des Anfalls der fiktiven Terminsgebühr auf die Fälle des gerichtlichen Vergleichs läuft dieser Zielsetzung zuwider. Sie bietet vielmehr einen Anreiz, einen schriftlichen Vergleich nur vor Gericht abzuschließen, und verursacht damit dem Gericht letztlich Mehrarbeit." Nach diesen Ausführungen handelt es sich bei der zum 01.01.2021 erfolgten Umformulierung des Gesetzestextes nicht um eine Änderung, sondern um die sprachliche Klarstellung einer bereits zuvor geltenden Rechtslage. Dafür spricht auch, dass die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits vor Inkrafttreten des KostRÄG eine dem jetzigen Gesetzestext entsprechende Rechtsauffassung vertraten und der vom Gesetzgeber beschriebene Sinn und Zweck der Zubilligung der Terminsgebühr bei außergerichtlichen Vergleichen und Abgabe einer entsprechenden Erledigungserklärung bereits vor dem 01.01.2021 uneingeschränkt griff. Der Senat hält an seiner erwähnten abweichenden Rechtsprechung daher nicht mehr fest. Die Höhe der fiktiven Terminsgebühr beträgt nach Nr. 3106 Satz 2 VV RVG 90% der Verfahrensgebühr, daher hier 270 EUR.
Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).